Eine goldene Kerze für Julius Lolom Erstling
Am 07.11.2012 um 16:24 Uhr
wurde von eine Kerze entzündet.
Mein geliebter Sohn.
Giftler, Alk, Looser und noch viel mehr, das sind die Namen, die sie dir geben, obwohl sie nicht wissen, warum dein Leben so wurde, wie es jetzt ist. Ganz tief drinnen ist deine Seele krank, du leidest schon dein ganzes Leben lang.
Mein Kind, selbst du hast mich gefragt, als einst die Erinnerungen an deine Kindheit zurück kamen und du wieder "von vorne anfangen" wolltest - ganz von vorne, als Säugling: „Warum Mami, warum nur bin ich so, ich will nicht so sein, möchte raus aus meiner Haut!“, schluchzest du, während du dein Gesicht ganz tief in meine Schulter gegraben hattest.
Die Antwort, mein Sohn, kann ich dir nicht geben, ich weiß nur, es ist für uns beide, ja für die ganze Familie, ein sehr schweres Leben.
Viele Tränen habe ich geweint, oft weit entfernt von deinem Herzen, von dir selbst veranlasst, und doch mit dir vereint in meiner Seele.
Du hast zwei Seelen in deiner Brust, die liebe, sanfte und die voller Angst, Frust und den daraus resultierenden Aggressionen.
Zweifel plagen mich oft sehr stark, habe ich als Mutter bei dir versagt? Nein, ich glaube nicht, denn ich habe versucht, dir all das zu vermitteln, was man braucht für ein glückliches Leben. Was man braucht um die nötige Stärke in seinem Innersten zu finden. Dein Vater tat das ebenfalls, er gab sein Letztes um dir den Weg zu einem zufriedenen Leben zu zeigen..... jedoch konntest und wolltest du all dies nicht annehmen, nicht verstehen.
Sicher haben wir auch Fehler gemacht. Doch Menschen werden nicht als Eltern geboren... Ich kann dir nur versichern, dass alle von uns an dir begangenen Fehler aus Unwissenheit geschehen sind. Wir wollten dich nie verletzen, im Gegenteil, ganz im Gegenteil.....
Du wirst dein Glück noch finden, die Suche dauert schon sehr lang, aber wenn du wirklich damit anfangen würdest... Ich würde dir so gerne dabei helfen wenn du es zulassen würdest. Es gäbe Ärzte und Institutionen, die uns dabei unterstützen können. Du könntest zurück ins Leben kommen..... und dein Neubeginn wäre möglich.
Deine sog. Freunde / Freundin / nen können dir nicht helfen, sie sitzen alle in dem Boot, in dem auch du sitzt, und darum werden sie zwangsläufig mit dir zusammen untergehen müssen. Wirklich retten können dich nur Menschen, die mit beiden Beinen fest am Ufer stehen und dich dadurch aus dem Wasser ziehen können. Du musst es nur wollen und dich an ihren starken Armen festhalten. Das kann dir leider niemand abnehmen.
Ist einer von euch Suchtkranken und gesellschaftlich im Abseits stehenden tot, interessiert sich niemand mehr für dessen Höllenleben. Endlich ist wieder einer gegangen, der wusste eh nicht, wie man sein Leben erfolgreich gestaltet. Endlich ist er krepiert, ein gutes Wort über ihn im Nachruf? Nein, welches gäbe es denn zu sagen?. Meist wird er vor seinem Sterben schon tot geschwiegen.
Endlich wieder einer verreckt, selber schuld, entdeckt wurde er in seiner Wohnung, auf einer Toilette, einer Parkbank, einem Hinterhof... Gott sei Dank, er lebte auf unsere Kosten viel zu lang. Das ist es, was viele Menschen sagen. Vielleicht wird auch über sie das Leid einst kommen, nicht zur Strafe, sondern einfach um verstehen zu lernen.
Wen interessieren schon die seelischen Zerissenheiten und die sich dahinter verbergenden Tragödien? Keiner will sich damit auseinander setzen, dafür nimmt sich keiner Zeit.
Man denkt, "es trifft mich ja nicht", und "mir könnte das nie passieren". Viele Eltern denken dies ebenfalls von ihren Kindern. Doch: so sehr kann der Mensch sich irren…..
„Ich will nicht so leben“ , hörte ich öfter von dir, „keiner weiß, welche Schmerzen, Kummer und Leid mich plagen. Diese kleine Zeit, wenn ich auf Alk bin, Party mache, Dope nehme, vertreibt meine Trauer, lässt mich kurz atmen und so tun, als hätt ich mit meinen Problemen nichts zu tun.
Meine Seele ist befreit, ……… "
Das ist ein Trugschluss, mein Kind, das ist gewiss!
Wenn jemand über dich schlecht spricht, das möchte ich dir sagen, das ertrag ich nicht. Höre ich schlechte Sprüche über dich ist es, als würden sich 1000te Nadeln in mein Herz bohren. Ich bin ein sehr friedliebender Mensch, schwer bringt man mich aus dem Gleichgewicht, aber wenn man mein Kind verletzt, bin ich zutiefst getroffen, es macht mich todunglücklich.
Schlimme Zeiten sind wir durchgegangen, wann hat eigentlich alles begonnen??? Ich glaub es schon zu wissen, du warst ein kleines Kind, hattest schon immer ADS und konntest den Ansprüchen deiner Umwelt nie genügen. Dadurch ist dem ganz kleinen Jungen ein großer Schmerz wiederfahren - bereits in seinem noch so jungen Leben.
Deine Lebensziele zu erreichen war dir unmöglich, alles lief schief, was dein Herz begehrt! Schulabschluss? Lehre? Führerschein? Nein - nichts davon und auch sonst nichts...
Psychologe wolltest du stets werden, weißt du es noch?
Ich hab wirklich alles versucht was in meiner Macht stand, du solltest von mir all meine Liebe bekommen. Ich wollte dein gebrochenes Herz heilen mit all meiner Kraft, doch nicht ich, sondern der Alk, die Partys, die falschen Freunde und die Drogen haben gewonnen.
Doch der Alkohol und der Dope lindern dein Leid nur für kurze Zeit, sie geben nicht auf, liegen ständig auf der Lauer. Die Depressionen, die Psychosen, der Absturz.
Wenigstens ein kurzes Gefühl zum Glücklich sein, oh mein Kind, wie todtraurig du sein musst...
Oft sagt man mir, dir zu helfen ist sinnlos, obwohl ich deine Mutter bin. Du hast mich bestohlen, belogen, betrogen und hintergangen, obwohl du wusstest, dass der schwere Einbruch 2004 - du warst damals noch ein Kind - mich fast umbrachte und ich viele Jahre brauchte, um das Trauma zu verarbeiten.
Doch mein Mutterherz, das ist bei dir, ich bin dir wegen gar nichts gram, weil ich dich liebe. Machst du mir noch so viele Sorgen und bringst mir großes Leid, ich bin deine Mamus, in guten und in schlechten Zeiten.
Dich fallen zu lassen, kommt mir nie in den Sinn, denn du bist ganz tief in meinem Herzen.
Wenn einst mein Herz aufhören wird zu schlagen, werde ich immer noch bei dir sein und über dich wachen. Du musst keine Angst haben, ich werde dich nie alleine lassen denn ich habe dich unendlich lieb. Liebe kann auch der Tod nicht beenden.......
So viele Wege sind wir schon zusammen gegangen, und eines ist ganz gewiss, dass du mein heißgeliebter Junge bist und bleibst. Mein Erstling.
Mein Sohn, es hört sich für Außenstehende vielleicht dumm an, aber ich weiß, dass ich auch auf dich stolz sein kann.
Du warst und wirst es immer bleiben: mein einziger Sohn, dessen Platz niemand je einnehmen kann weil du unersetzlich bist!
Kaum einer hat die Kraft, dass er den Absprung wirklich schafft. Wenn der Wille da ist und er dann unter den „Cleanen“ lebt, fehlt oft derjenige, der die Seele heilt. Für manche ist der Heiler jedoch trotzdem da, man muss ihn nur erkennen und annehmen.....
Nicht alle Schmerzen sind heilbar, denn manche schleichen sich tiefer ins Herz hinein, und während die Tage verstreichen, werden sie Stein. Du bist irgendwie anwesend und doch unerreichbar für mich. Meine Qualen scheinen geronnen zu Schaum, aber ich spüre ihre lastende Schwere bis in meine Träume. Der Frühling kommt wieder mit Wärme und Licht, die Welt wird ein Blumenmeer, aber in meinem Herzen ist ein Platz, an dem nichts mehr blüht.
Ich kann mir denken, dass du lange Nächte schlaflos liegst, unerträglich lange Nächte. Dann irrlichtern die Gedanken irgendwohin und wollen sich nicht einfangen lassen. Dann ist es gut, wenn mir dein Bild klar vor meinem inneren Auge steht, das Bild, das ich in glücklichen Tagen von dir hatte, als du mir besonders nahe warst, als etwas besonders Schönes gelang, als ich besonders groß von dir dachte. Nicht so, dass ich mir etwas vormache, sondern klar und wahrhaftig. So bildet sich in meiner Seele ein Raum, in dem du wohnen kannst und in dem vielleicht auch der Schlaf gelingt. Deine Stimme hören. So, wie sie früher war, als komme sie nicht nur aus der Erinnerung. So werden die leisen Stimmen vernehmbar, auf eine neue Weise. Als die Stimme eines Friedens, der nicht von dieser Welt ist. Ich vermisse dich so sehr, mein Sohn!
Ich habe gemerkt das ich immer einsamer wurde. Ich war nur noch damit beschäftigt aus dieser heiklen Situation wieder raus zu kommen, ohne das mein Umfeld davon etwas mit-bekommt. Mit am Schlimmsten war es als du, mein Sohn, die Psychose bekamst. Mit kaum einen Menschen kann man darüber reden. Kaum einer fragt nach seinem Befinden. Kaum einer fragt, wie es mir geht. Es ist eine Krankheit die den Mitmenschen Angst macht. Sie können damit nicht umgehen. Sie schweigen dich, mein Kind, tot....... Es ist als hättest du eine ansteckende Krankheit. Nur hinterm Rücken, da wird getuschelt. Man wundert sich, das ich mich verändere. Ja ich war mal lebenslustig und unbekümmerter. Jetzt bin ich traurig ,besorgt und depressiv. Darf ich das nicht mit einem drogen.-und psychosekranken Kind? Darf ich nicht trauern über deine, meine, unsere verlorenen Jahre? Ja ich trauere, über dein Potenzial, das du mit dem polytoxen Drogenkonsum und Alkoholmissbrauch in den Wind geschossen hast.
Es war mir ein Bedürfnis dir zu schreiben, es ist einfach über mich gekommen….. und ich möchte dir damit nur sagen, wie wichtig du mir bist. Lass dich niemals entmutigen, von Menschen welche keine Ahnung haben, überhaupt keine Ahnung haben können, weil sie nicht in deinen Schuhen laufen….
Und bitte vergiss niemals, wenn alles noch so düster aussieht, ich bin immer für dich da…………dein Platz in meinem Herzen ist immer für dich frei und wartet darauf, dass du ihn beanspruchst....genauso wie dein Platz in unserem Zuhause... wir haben es immer wieder geschafft……..
Ich hab dich lieb! Mu..f (unser Geheim-Wort)
Deine Mamus
In fine est pincipium meum.
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A. Fleischmann am 18.02.2013Eintrag melden
ADS - eine kleine Zwischenbemerkung in Ihrem Brief an Ihren Julius - aber eine große Aussagekraft.
Ca. 30 - 40% der Suchtpatienten haben ein unerkanntes AD(H)S und betreiben ihren Suchtmittelmissbrauch als, leider immer gescheiterte, Selbstbehandlung. Oftmals zeigt sich auch ein erheblicher Nikotinmissbrauch, da Nikotin am Dopamintransporter( Dopamin ist ein Botenstoff im Gehirn ) und so das ursächliche Dopamindefizit korrigiert wird. Bei AD(H)S-Patienten beginnt die Sucht häufig sehr früh und der Substanzmissbrauch ist wesentlich ausgeprägter. Weiterhin zeigen sich vermehrt alle Formen der Sucht: Alkoholsucht, Esssucht, Kaufsucht, Spielsucht, Kleptomanie etc. Der AD(H)S-Patient hat häufig zeitlebens ein Problem damit, etwas massvoll zu tun und die eigene Mitte zu finden. Sehr häufig findet man hohe Verschuldung bei AD(H)S-Patienten.
Im Jugendalter setzt sich AD(H)S oft mit einer veränderten Symptomatik fort, die Hyperaktivität ( falls sie vorhanden war ) verschwindet gehäuft, an diese Stelle tritt Desinteresse in Form einer Null-Bock-Mentalität, Kernsymptome wie sozial/emotionale Reifeverzögerung, schlechte Handlungsorganisation und vor allem innere Unruhe bleiben weiterhin bestehen. Die Überlagerung mit pubertätstypischen Verhaltensweisen und Denkstrukturen führt oftmals zu fast chaotischen Gesamtzuständen. Jugendliche, die bereits als Kinder agressiv und sozial auffällig waren, entwickeln oft dissoziales Verhalten, bei den meisten wird auch eine erhebliche Neigung zu Alkohol und Drogen beobachtet.
Während dieser Phase steigern sich oftmals die Probleme der Eltern ins Unerträgliche, aber auch die Jugendlichen fühlen sich total unverstanden und ziehen sich mehr und mehr zurück, suchen Verständnis in der Gruppe von Gleichaltrigen ( oftmals Randgruppen ) oder isolieren sich fast völlig, die sogenannten" Stubenhocker " entstehen. Auswege werden in übersteigertem Computerspiel, Fernsehen oder einfach "Nichtstun" gesucht, das Zimmer vermüllt immer weiter, das Interesse für die Schule geht gegen Null, die Reibungspunkte zwischen Eltern und Kind sind täglich brutal spürbar.
In der Ausbildung oder im Studium sind Desorganisation, emotionale Instabilität, geringe Ausdauer - und Frustrationstoleranz als auch Anpassungsschwierigkeiten weiterhin problematisch und führen häufig zu Abbrüchen oder Wechseln.
Die Symptomatik beim Erwachsenen zeigt sich durch Reizoffenheit, Neigung zu emotionaler Übersteuerung, geringer Frustrationstoleranz, Schwierigkeiten bei der Organisation des Alltags, ständiger Reizsuche, ungebremsten Redefluss oder aber quälender Langeweilegefühle. Konzentrationsprobleme sind an der Tagesordnung, es besteht eine Überfokussierung bei Interessengebieten, oftmals verbunden mit grossen Schwierigkeiten, Termine einzuhalten. Selbstwertprobleme werden häufig durch Vermeidungsverhalten und damit verbundenen Negativerfahrungen gesteigert.
Eine gehäufte Unfallgefährdung ist ebenfalls bei AD(H)S-Patienten festzustellen, ca. 5% der Betroffenen erleidet einen tödlichen Unfall oder aber beendet sein Leben durch Suizid. Der Suizid ist ein nicht zu unterschätzendes Risiko, da nicht alle Patienten vorher depressiv sind oder waren, sondern vielmehr kann es aufgrund der hohen Impulsivität, der heftigen Reaktionen und wegen der Gefühlsschwankungen in Krisensituationen zu Suiziden oder Suizidversuchen kommen.
Persönlichkeitsstörungen: Als Ergebnis der Erfahrungen aus der Kindheit und der Herkunftsfamilie treten häufiger Persönlichkeitsstörungen auf.
Aufgrund der hohen Impulsivität, der Zerstreutheit und der permanenten Weigerung, Dinge zu tun, die keinen Spass machen ( ständige Reizsuche ) bzw. zuverlässig Verantwortung zu übernehmen und sich den Pflichten des Lebens zu stellen, kommt es gehäuft zu Arbeits - und Beziehungskonflikten, die Scheidungsrate ist deutlich erhöht.
In den Familien kommt es nicht selten zu schwersten Auseinandersetzungen bis hin zu körperlicher Gewalt. Da AD(H)S aufgrund der hohen Erblichkeitsrate oft bei mehreren Familienmitgliedern gleichzeitig vorhanden ist, zeigt sich hier ein hochexplosives Konfliktpotenzial. Es kommt zu täglichen Überforderungssituationen der Eltern, die dann ihre Kinder schütteln oder schlagen, auch wenn sie ansonsten nicht gewalttätig sind.
Abschliessend ist an dieser Stelle zu sagen, dass ADS / ADHS nach heutigem Kenntnisstand zwar nicht heilbar, jedoch in grossem Umfang therapierbar ist.
Bringen Sie Ihrem Sohn schnellstmöglich ärztliche Hilfe. Dort kann ihm gehölfen werden! Unser Sohn konnte mit 28 Jahren endlich sein Leben ohne Alkohol und Drogen in den Griff bekommen. Unser Verhältnis war immer extrem angespannt und ist jetzt zum erstenmal sehr innig und vertraut.
Viel Erfolg und meine besten Wünsche für die Familie und Julius.
Norma 1. am 12.02.2013Eintrag melden
@Mamus und Familie.
Ich bin Suchttherapeutin und arbeite seit 16 Jahren mit süchtigen jungen Leuten. Gerne gebe ich Ihnen einige Empfehlungen, wie Sie lernen, mit der Sucht Ihres Sohnes zu leben und trotzdem noch ein eigenes, glückliches Leben mit dem Rest Ihrer Familie führen zu können.
Vergessen Sie dabei nicht, dass Sie ihn nie heilen können, nur unterstützend begleiten. Die Voraussetzung ist immer, dass er es persönlich will.
Bedenken Sie jedoch auch, dass es SEINE Sucht ist und NICHT IHRE, sofern Sie sich nicht durch Co-Abhängigkeit ebenfalls süchtig machen (lassen)!
ERSTE EMPFEHLUNGEN
Geben Sie sich keine Schuld, dass Ihr Kind suchtkrank geworden ist. Es müssen viele ungünstige Faktoren zusammentreffen, bis eine Sucht entsteht.
Machen Sie Ihr Wohlergehen nicht abhängig vom Befinden Ihres Kindes. Sie helfen ihm nicht, wenn Sie seinetwegen leiden.
Schaffen Sie schnellstmöglich eine suchtfreie Zone. In Ihrer Wohnung dürfen weder (außer vom Arzt verordnete) Tabletten, Drogen noch Alkohol konsumiert werden. Sollte Ihr Kind sich nicht daran halten oder / und konsumierende Freunde mitbringen, gilt unverzüglich Hausverbot. Alle müssen sofort die Wohnung verlassen, auch Ihr Kind. Wenn nötig, holen Sie die Polizei. Das Kind darf die Wohnung erst im nüchternen Zustand und alleine wieder betreten.
Nehmen Sie dem Kind während seiner Suchtzeit die Möglichkeit, Suchtmittel ohne Ihr Wissen einnehmen zu können. Überlassen Sie ihm keine Zimmerschlüssel oder Wohnungsschlüssel.
Brechen Sie nötigenfalls den Kontakt zu Ihrem Kind konsequent ab bis es bereit ist, sich einer ärztlichen Behandlung zu unterziehen. Eine Entziehung von Suchtmitteln alleine ist jedoch meist nicht erfolgreich, weil einer Sucht so gut wie immer massive, psychische Krankheiten vorausgehen. Diese verstärken sich unter dem Einfluss von Suchtmitteln meist erheblich, wenngleich das von den Patienten nicht wahrgenommen wird, da die Symptome durch die Einnahme von Alkohol und Drogen gedämpft werden, sich allerdings "unter der Decke" permanent weiter entwickeln. Es muss demnach stets eine intensive, psychiatrische Behandlung mit einer Suchttherapie parallel durchgeführt werden. Die Erfolgsausquoten liegen hierbei bei ca. 85%, ohne Paralleltherapie (nur Suchtentzug) bei ca. 3%. Eine sehr wertvolle Unterstützung kann Hypnose dabei sein. Erfolgreiche Hypnotherapeuten für Suchterkrankungen kann ich Ihnen auf Wunsch gerne nennen.
Rücken Sie die eigenen Interessen und die Ihrer Familie wieder in den Vordergrund.
Niemand kann einen anderen Menschen von seiner Sucht befreien, darum ist es sinnlos, mit Reden, Bitten, Drohen sein Kind dazu bewegen zu wollen, sein süchtiges Verhalten zu ändern. Sinnloses Debattieren bringt Sie nicht weiter, sondern kostet Kraft, die vergeudet ist. Aus der Abhängigkeit muss sich der Süchtige selbst befreien.
Sprechen Sie keine Drohungen aus, die Sie nicht einhalten können. Sie werden sonst unglaubwürdig.
Zeigen Sie Ihrem Kind, dass man auch im realen Leben Schwierigkeiten bewältigen und Freude haben kann, auch ohne Suchtmittel.
Nehmen Sie Ihrem Kind nichts ab, was es allein erledigen kann, auch wenn Sie den Eindruck haben, dass es nichts auf die Reihe bekommt. Es kann mehr als Sie denken, denn Drogen oder Alkohol zu beschaffen, erfordert viel Koordinationsfähigkeit.
Helfen Sie ihm nicht aus seinen Schwierigkeiten und zahlen Sie nichts mehr für ihn, auch seine Schulden nicht. Das trägt nur zur Verlängerung seiner Sucht bei. Geld ist immer ein Tabuthema während der Suchtzeit, egal wie hoch oder niedrig der Betrag ist.
Lassen Sie Ihr Kind die Konsequenzen seines Handelns selbst tragen, nur so werden ihm die Probleme seiner Abhängigkeit bewusst.
Wir können nur uns selbst verändern, das hat aber Rückwirkung auf andere.
Abhängige brauchen dringend klare Grenzen und konsequentes Handeln. Veränderung gelingt in den seltensten Fällen von heute auf morgen. Darum geben Sie sich Zeit, machen Sie kleine Schritte. Im Kreis von ebenfalls betroffenen Eltern fällt das leichter.
"Trau Dich.
Wenn Du etwas wagst, kannst Du etwas verlieren.
Wenn Du nichts wagst, wirst Du bestimmt etwas verlieren.
Das größte Risiko ist es, nichts zu tun."
Mit Ihrem berührenden Brief arbeite ich zwischenzeitlich mit großem Erfolg. Aus meinem Erfahrungsschatz heraus möchte ich jedoch behaupten, dass Ihre Worte bei Ihrem Sohn zu keiner Veränderung seines Suchtverhaltens führen werden. Das liegt daran, dass er Ihnen viel zu nahe ist und sich darum keinen Zugang zu Ihnen und Ihrer einzigartigen Nachricht erlaubt. Von daher rate ich Ihnen, den üblichen Weg zu gehen, den ich Ihnen oben darlegte.
Ich möchte mich im Namen meiner, durch Ihren Brief wesentlich in ihrer Heilung beeinflussten Patienten, sowie in meinem eigenen, ganz herzlich bei Ihnen bedanken.
Viel Erfolg bei der Genesung Ihrer Familie und Ihres Sohnes.
N.B.
Eine Mutter - Exsüchtig & Suchtkind am 11.02.2013Eintrag melden
Liebe Familie,
als ehemals politox Süchtige und heute ebenfalls Mutter eines süchtigen Sohnes, kenne ich beide Seiten ganz genau. (Als mein Sohn, 19 Jahre, geboren wurde, war ich bereits seit 7 Jahren clean. Er kam weder durch die Schwangerschaft noch in sonstiger Art mit meinem ehemaligen Suchtleben in Verbindung.) Sein Vater hatte nie Suchtprobleme, er raucht nicht einmal Zigaretten.
Unser Sohn ist seit 2 Jahren "richtig" süchtig und nicht clean!
Er wird, um der Liebe willen, die wir, seine Eltern für ihn fühlen, von uns nicht mehr unterstützt. D.h. er bekommt keinen Cent mehr - egal, was er dafür alles verspricht, er kann es sowieso nie halten -, er bekommt keine Kleidung, keine Wohnmöglichkeit - erst wenn er clean ist, zuhause ist eine Drogenfreie und Alkoholfreie Zone -, kein Essen usw. und VOR ALLEM: keine für ihn fühlbare, emotionale Zuwendung von uns mehr.
Ein süchtiger Mensch erzählt seinen Eltern, oder denjenigen, von denen er Geld bekommt, immer alles was sie hören wollen, damit seine Suchtmittelbeschaffung gesichert ist. Keines dieser Versprechen kann er einhalten, solange die Geldgeber selbst "süchtig" sind. Damit meine ich die Co-Abhängigkeit, unter der Ihre Familie mit Sicherheit leidet. Ich möchte Ihnen das gerne etwas näher erklären.
Was Sucht mit Familien macht!
Sucht ist eine Krankheit, von der alle Familienmitglieder mit betroffen sind und in einen Teufelskreis gezogen werden. Egal ob der Süchtige ein Kind, der Bruder oder die Schwester, ein Partner oder ein Elternteil ist. Es ist auch egal um welche Sucht es sich handelt, die Auswirkungen auf die Familie sind dieselben.
In einer Familie, in der ein Mitglied über Jahre trinkt, Drogen konsumiert, glückspiel- oder sexsüchtig ist, wird jedes Familienmitglied früher oder später zwangsläufig schwer krank. Sucht macht für die Angehörigen das Leben unberechenbar. Keiner weiß, was wann passiert, wie er damit umgehen soll und wie es weitergeht. Die Beziehungen untereinander sind oft hochgradig gestört. So wie der Süchtige schleichend mehr und mehr in die Abhängigkeit gerät, rutscht der Angehörige mehr und mehr in die Co-Abhängigkeit.
Was ist Co-Abhängigkeit?
Es ist der Zustand in dem sich Angehörige befinden, wenn sie das Verhalten des Süchtigen vor seiner Umwelt entschuldigen, für ihn lügen (z.B. er kann nicht kommen, ist krank usw.), ihm seine Probleme aus dem Weg räumen (z.B. Anträge ausfüllen, Suchtmittel-Beschaffung ermöglichen mit Geldüberlassung, Arzttermine machen, usw.) und seine Aufgaben für ihn erledigen (z.B. für ihn einkaufen, Essen machen, putzen usw.). Damit ermöglichen sie ihm ein Leben in Sucht, sie machen sich sozusagen, zum Helfershelfer der Sucht.
Dieses Verhalten ist ungemein anstrengend, führt Angehörige früher oder später stets an, oft auch über, die Grenzen der eigenen Gesundheit und bringt immer psychosomatische Störungen mit sich.
Warum verhalten sie sich trotzdem so? Aus Liebe, Loyalität, zur Selbsterhaltung, aus Verantwortungsgefühl, Mitleid oder Naivität? Wahrscheinlich ist von allem etwas dabei! Es klingt hart, ist aber oft tatsächlich so:
Angehörige glauben, dass der Abhängige ohne ihre Hilfe lebensunfähig ist.
Dem Abhängigen signalisiert dieses Verhalten: Ich bin hilflos, unfähig, abhängig vom Angehörigen und ich kann mein unverantwortliches Verhalten weiterführen.
Die andere Seite der Medaille ist die: So wie der Süchtige sein Suchtmittel konsumieren oder haben will, will ihm der Angehörige dieses wegnehmen. Der Süchtige verharmlost, der Angehörige beschuldigt. Für den einen ist das Suchtmittel Gift, für den anderen Medizin - Fluch und Segen. Der Angehörige kontrolliert, der Süchtige verheimlicht und versteckt. Hier Vorwürfe, dort Rechtfertigungen, Drohungen - Versprechen usw. Ein ambivalenter Zustand.
Auf der einen Seite ist der Angehörige für den Süchtigen ein Verbündeter, der ihm sein süchtiges Verhalten möglich macht, auf der anderen Seite ein Feind, der ihm sein Sucht- mittel, wegnehmen will. Für den Angehörigen ist der Süchtige einerseits Not leidend und hilfebedürftig, für den es sich aufzuopfern gilt. Andererseits ist dieser nicht bereit, sich therapieren zu lassen, weil er sein Leben lebensunwert findet. Eine ausweglose Situation!
Viele sagen, das Suchtmittel sei das Problem. Ich glaube, bei genauerem Hinschauen, dass Leugnen das Problem ist. Damit meine ich nicht das Vertuschen nach außen hin. Mit Leugnen meine ich bewusstes oder unbewusstes Verdrängen, Ablehnen, nicht wahrhaben wollen, nicht akzeptieren, nicht annehmen, Widerstand leisten.
Der Süchtige leugnet, dass er ein Problem hat, obwohl er weiß, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Er konsumiert oder spielt mehr als er zugibt - stets auch sich selbst gegenüber - und oft heimlich. Würde er sich das eingestehen, müsste er die Konsequenz daraus ziehen - Abstinenz.
Der Angehörige leugnet, dass Sucht eine Krankheit ist, die er nicht heilen kann und er will nicht wahrhaben, dass er selbst unter dieser Krankheit in Form von Co-Abhängigkeit leidet.
Was kann der Co-Abhängige tun, um aus diesem Dilemma heraus zu kommen? Meiner Meinung nach genau dasselbe wie der Süchtige. Er darf, er kann, er muss kapitulieren! Er muss sich genauso wie ein Suchtkranker eingestehen, dass er dem Suchtmittel gegenüber machtlos ist. Kapitulation ist eine aktive Handlung. Damit breche ich den Widerstand. Ich akzeptiere die Situation so wie sie ist. Das heißt noch lange nicht, dass ich sie für gut heißen muss.
Wenn ich als Angehöriger erkenne, ich kann etwas für mich tun, ich muss nicht mehr so weitermachen wie bisher, ich darf mich ändern, meine Sichtweisen, meine Verhaltens- muster, wenn ich bereit bin, eine gründliche Inventur zu machen, dann bin ich auf dem richtigen Weg. Wenn ich mich in einer ehrlichen und schonungslosen Selbstreflexion frage: Warum habe ich das so lange mitgemacht? War es Angst oder war es Liebe? Vielleicht aus Gewohnheit, Faulheit oder gar Masochismus? Bin auch ich irgendwo, irgendwie abhängig - vielleicht abhängig davon gebraucht zu werden? Warum ist das so? Will ich mein Leben wirklich so leben?
An dieser Stelle kann ich nur empfehlen Hilfe und Unterstützung von außen zu holen und anzunehmen. In einer Therapie oder in Selbsthilfegruppen können Autonomie, konse- quentes Handeln und das Ablegen falscher Verantwortungsgefühle erlernt werden. Auto- nomie bedeutet für mich in diesem Zusammenhang: Ein selbst bestimmtes Leben, indem ich meine Bedürfnisse, mein Wohlbefinden, meine Interessen respektiere und darauf achte, mir diese nicht von jemand anderem, für dessen Interessen und Bedürfnisse, nehmen zu lassen.
Erst wenn mir das gelingt, dann bin ich auch wirklich glaubwürdig, wenn ich zum Süchtigen sage: Wenn du trinken, kiffen, spielen, zocken … willst, dann ist es deine Sache. Der spürt dann schon, dass das kein Vorwurf, oder Verachtung oder eine Drohung ist. Durch mein verändertes Verhalten besteht die Hoffnung, dass auch der Süchtige sich ändert. Wenn ich davon überzeugt bin, kann ich sagen: „Ich weiß, dass du eines Tages aufhören kannst“. Die Betonung liegt auf „du kannst.“
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen. Sobald mein Sohn bereit ist, seinen Entzug zu machen und die Hausregeln einhält, darf er wieder bei uns wohnen und ich bin bereit, ihn bei allem zu unterstützen. Rückfall = sofortiger Rückzug von mir und unserer Familie!
Wenn ein Weg aus der Sucht gelingt, was garantiert keine Selbstverständlichkeit ist, bedeutet das nicht, dass alles so wird wie es früher war und jetzt wieder gut ist. Vieles wird anders sein und ein gesundes Familienleben kann nur dann funktionieren, wenn weiterhin alle Beteiligten zu Veränderung und Entwicklung bereit sind und dafür etwas tun.
Meine Eltern erkannten das alles schon, als ich noch süchtig war und haben mich dementsprechend behandelt. DAS war meine einzige Rettung und ich werde niemals aufhören, sie dafür zu lieben. Da ich auch meinem Sohn diese Chance geben will, behandeln mein Mann und ich ihn heute genau so.
Meine Gedanken und meine allerbesten Wünsche für das Entkommen aus dem Teufelskreis sind bei Ihnen!
Liebe Grüße
Jonas M. @ Julius am 10.02.2013Eintrag melden
Lieber Julius,
ich komme täglich mindestens einmal zu deiner wunderschönen Seite. In den letzten Tagen sind viele, manchmal böse, meistens aber sehr gute, Kommentare hinzugekommen.
Einige davon sind verzweifelt und stammen von Menschen, die in ihrer Hilflosigkeit meinen, es gäbe keinen Ausweg aus der Hölle. Glaube es nicht, mein Freund. Ich will noch einmal meine Nachricht an dich vom 20. Januar nach vorne holen damit Du siehst, es gibt einen Weg für dich. Du hast einen Schutzengel bei Dir, den Du nur noch nicht erkennst.
Das war meine Nachricht an dich (20.01.2013):
Lieber Julius
In meinen jungen Jahren war ich auch in deiner Situation. Sechs Jahre lang habe ich alles an Drogen genommen was ich in die Finger bekam. Alkohol trank ich wie ein Loch. Ich hatte ADHS, schwere Depressionen weil ich nie etwas auf die Reihe bekam und alles zerstörte, was man mir geboten hatte. Ich war der absolute Verneiner schon von Kleinkind an. Mein Vater starb als ich drei Jahre alt war. Meine Mutter war wie deine Mamus. Sie versuchte alles, um mir zu helfen. Doch ich begriff nichts, überhaupt nichts.
Dann geschah etwas entsetzliches, etwas, was mich für immer veränderte und mich bis zum heutigen Tag nicht mehr zur Ruhe kommen lässt. Meine Schuldgefühle und meine Trauer über mein eigenes Verhalten von damals kann ich einfach nicht verkraften. Ich versuchte, an anderen wieder gutzumachen, was ich verbrochen habe. Doch es ist sinnlos, denn der Mensch, dem ich mit meinen Aktionen viel zu früh das Leben nahm, ist nicht mehr erreichbar für mich. Nur an ihm, meinem Opfer, könnte ich "gutmachen"...
Ich schreibe dir meine Geschichte "im Abstand", ich könnte sie ansonsten nicht erzählen.
Er wünschte sich stets einen Schutzengel, doch der war immer da und er sah ihn nicht.
Ein Sohn begleitet schreibend das langsame Sterben seiner Mutter, die er nur noch komatös erlebt - er nimmt Abschied von einem Leben, das sich ihm spät, viel zu spät, erschließt. Als der Sohn von der Krankheit der Mutter erfährt, geht er auf die Straße und läuft ziellos umher. Es gibt keine Hoffnung mehr; die Ärzte haben ihm gesagt, dass die Bauchhöhle, die Knochen und das Gehirn schon ganz verkrebst sind.
Der Sohn flüchtet sich ins Schreiben, beginnt, schreibend, noch vor ihrem Tod von der Mutter Abschied zu nehmen: als ob er sie "unter Worten begrabe", noch während sie lebt. Vielleicht geschieht ein Wunder und sie kann es doch noch lesen? Vielleicht kann er damit das Stundenglas anhalten, es vielleicht sogar rückwärts laufen lassen? Wie soll man damit fertig werden, dass jemand stirbt, der nie mehr ein Leben hatte, weil er es aus Sorge und Angst um das suchtkranke Kind geopfert hat? So viel wollte er ihr noch sagen, so viel noch mit ihr teilen, so viel noch... Und einmal noch sagen zu können: "ich hab dich lieb!". Einmal aus tiefstem Herzen um Vergebung bitten... Vielleicht bekommt er noch eine Chance, eine einzige Chance, die allerletzte?
Er hätte oft gern eine andere Mutter gehabt, eine lustigere, eine, die ihm alle seine eingebildeten Freiheiten ließ, die seine Freunde annahm, die nie welche waren, eine, die zusah, wie er sich schleichend umbrachte, eine, die ihn einfach nur in Ruhe ließ. - Und zu spät, viel zu spät begriff er: "wenn du tot bist, bin ich nirgends mehr daheim"... und zu spät, viel zu spät, begriff er, dass er nun den Menschen verloren hatte, der sein einziger wahrer Freund war; der ihn so sehr liebte, dass er ihm mit seinem Tod die Chance gab, aufzuwachen aus seinen Dauerräuschen und endlich leben zu wollen...
Mama, ich liebe dich! Bin dir unendlich dankbar! Bitte vergib mir...
Du sollst niemals so fühlen müssen, mein armer, unwissender Freund.
Ich denk an dich.
Gute Besserung und viel Erfolg.