Fan am 23.12.2014Eintrag melden
Zum Tod von Joe Cocker: Der Glasscherben-Gurgler
Seine Stimme klang, als gurgelte er mit Glasscherben; seine Hits begeisterten Millionen - ihn selbst ließen sie oft ungerührt. Joe Cocker war ein großer Künstler, der sich nach vielen Abstürzen vor allem aufs Überleben konzentrierte. Bis zuletzt.
Auf die Frage, ob ihm das Bier, für das er lange sang, überhaupt schmeckt, antwortete Joe Cocker mal mit einem amüsierten Lachen und lobte dann ein mexikanisches Konkurrenzprodukt. Er habe so absurd viel Geld für die Werbung bekommen, dass letztlich vollkommen egal sei, ob er das Bier nun mag oder nicht, rechtfertigte er sich später.
Ähnlich verhielt es sich mit der Karriere des Briten, der stets auf dem schmalen Grad zwischen künstlerischen Ambitionen und kommerziellen Notwendigkeiten balancierte.
Der Mann, dessen Stimme klang, als habe er gerade mit Glasscherben gegurgelt, machte nie einen Hehl daraus, dass er auch - vor allem in der späteren Phase seiner Laufbahn - Songs gesungen hatte, die ihn nicht weiter interessierten und von denen er einzig und allein erhoffte, das sie sich verkaufen. Was man als nüchterne Bilanz eines großen Talents ansehen muss, das finstere Abstürze überstanden hatte und sich ab einem gewissen Punkt seiner Karriere vor allem aufs Überleben konzentrierte.
Angefangen hatte Joe Cocker, der 1944 in der britischen Industriemetropole Sheffield zur Welt kam, in den Pubs und Clubs seiner rauhen Heimatstadt. Gelernt hatte er das Verlegen von Gasleitungen. Nach der Arbeit stand er in jungen Jahren nachts mit allerlei Bands auf kleinen Bühnen und coverte amerikanische Soul- und R&B-Nummern von Ray Charles, Chuck Berry und Konsorten.
Rock-Legende: Die Karriere von Joe Cocker
Er war 19 Jahre alt, als er 1963 eine Ahnung vom Ruhm bekam: Er trat im Vorprogramm der Rolling Stones in Sheffield auf. Aber die bald danach veröffentlichte Debut-Single "I'll Cry Instead", eine Coverversion eines Beatles Songs, blieb unbemerkt.
Klar war dem jungen Cocker aber früh, dass er weder ein Songwriter, noch ein Virtuose am Instrument war, sondern allein seine Stimme und ein Instinkt für angemessene Songs ihm eine Karriere verschaffen konnten.
Seinen Durchbruch hatte er dann doch den Beatles zu verdanken, mit deren Song "With A Little Help From My Friends" Cocker 1968 in den Charts landete. Ein Jahr später baute er seinen Ruhm mit einem denkwürdigen Auftritt beim Woodstock Festival aus.
Dass Cocker es verstand, sich ein Lied tatsächlich zu eigen zu machen, es so zu übernehmen und mit Leben auszufüllen, als habe es es selber verfasst, beeindruckte auch die Beatles. Sowohl George Harrisson als auch Paul McCartney luden Cocker nach Hause ein. "Ich fühlte mich wie zu Besuch bei Königen", sagte Cocker dazu.
Sie überließen ihm ihre Songs "Something" und "She Came Through The Bathroom Window", was damals einem Ritterschlag gleichkam. Aber mit dem Ruhm kamen die Turbulenzen, die diesen Künstler einen Großteil seiner Karriere lang durchschüttelten. Da war einerseits das Geld, genauer gesagt Cockers komplettes Desinteresse daran, was den Künstler zur leichten Beute windiger Manager machte, dazu kam der Hang, Probleme gern und ausgiebig mit Alkohol wegzuspülen.
Legendär und wohl Joe Cockers künstlerischer Höhepunkt ist seine "Mad Dogs and Englishmen"-Tournee von 1970. Eine aberwitzige Konzert-Odyssee, die Cocker mit dem Exzentriker Leon Russel und einer über 30 Mann starken Begleitband absolvierte. Das Mamut Ensemble glänzte mit einem furiosen Mix aus Rock & Roll, R&B, Soul und Exzessen der besonders ausschweifenden Art.
Weil er sich mit Leon Russel aber nicht besonders grün war, verfiel Joe Cocker bald auf exzessiven Alkohol-Konsum, den er in den Folgejahren beibehielt. Jahrzente später gab er dann zu Protokoll, dass seine Erinnerungen an die Siebzigerjahre nahezu komplett weggespült seien.
Wie sich Cocker nach vielen Abstürzen wieder aufraffte
Zahlreiche Zeitzeugen berichten dafür von Konzerten, bei denen Cocker volltrunken von der Bühne kippte, oder Auftritten, bei denen er gar nicht erst erschien. Die Siebziger gelten als sein verlorenes Jahrzehnt, und er selbst hat immer wieder gestaunt, dass er dieses Zeit überhaupt überlebte.
Mit einer Mischung aus Glück und harter Working-Class-Disziplin fing er sich aber wieder. Damals muss er sich entschieden haben, dass es in Ordnung ist, Dinge zu tun, die einen nicht wirklich interessieren, die aber gut bezahlt werden. Das kann man zynisch finden - oder als Überlebenstaktik akzeptieren.
Cocker, der offene Worte stets schätzte, hat daraus nie einen Hehl gemacht. Die Schmacht-Nummer "Up Where We Belong", seinen einzigen US-Nummer-Eins-Hit, tat der Sänger gern als "öde" ab. So ist die zweite Hälfte seiner Karriere zwar die kommerziell einträglichere, aber künstlerisch bedeutungslosere.
In Deutschland, wo Cocker immer etwas mehr geliebt wurde als im Rest der Welt, war er Stammgast bei "Wetten Dass..?". Und vermutlich wird der Brite stets in sich hineingelacht haben, wenn sein Verehrer Thomas Gottschalk mal wieder von "handgemachter Musik" fabulierte.
Endgültig zu innerer Ruhe fand Cocker, als er Ende der Achtzigerjahre eine Amerikanerin heiratete und sich mit ihr auf einer abgelegenen Ranch in Colorado niederließ. Von dort aus restaurierte er seine Gesundheit und seine Finanzen.
Seine letzte bemerkenswerte Platte erschien 2007. Auf "Hymns For My Soul" sang er, begleitet von hippem Personal, anspruchsvolle Songs von Bob Dylan, Stevie Wonder und Lennon&McCartney. Dass der Erfolg des feinen Werkes dezent war, dürfte ihn wenig überrascht haben. Dafür verkaufte er seine Stimme eben mal für eine Biermarke.
Auf seiner Ranch in Colorado ist Joe Cocker am Montag an Lungenkrebs gestorben.
Seine Stimme klang, als gurgelte er mit Glasscherben; seine Hits begeisterten Millionen - ihn selbst ließen sie oft ungerührt. Joe Cocker war ein großer Künstler, der sich nach vielen Abstürzen vor allem aufs Überleben konzentrierte. Bis zuletzt.
Auf die Frage, ob ihm das Bier, für das er lange sang, überhaupt schmeckt, antwortete Joe Cocker mal mit einem amüsierten Lachen und lobte dann ein mexikanisches Konkurrenzprodukt. Er habe so absurd viel Geld für die Werbung bekommen, dass letztlich vollkommen egal sei, ob er das Bier nun mag oder nicht, rechtfertigte er sich später.
Ähnlich verhielt es sich mit der Karriere des Briten, der stets auf dem schmalen Grad zwischen künstlerischen Ambitionen und kommerziellen Notwendigkeiten balancierte.
Der Mann, dessen Stimme klang, als habe er gerade mit Glasscherben gegurgelt, machte nie einen Hehl daraus, dass er auch - vor allem in der späteren Phase seiner Laufbahn - Songs gesungen hatte, die ihn nicht weiter interessierten und von denen er einzig und allein erhoffte, das sie sich verkaufen. Was man als nüchterne Bilanz eines großen Talents ansehen muss, das finstere Abstürze überstanden hatte und sich ab einem gewissen Punkt seiner Karriere vor allem aufs Überleben konzentrierte.
Angefangen hatte Joe Cocker, der 1944 in der britischen Industriemetropole Sheffield zur Welt kam, in den Pubs und Clubs seiner rauhen Heimatstadt. Gelernt hatte er das Verlegen von Gasleitungen. Nach der Arbeit stand er in jungen Jahren nachts mit allerlei Bands auf kleinen Bühnen und coverte amerikanische Soul- und R&B-Nummern von Ray Charles, Chuck Berry und Konsorten.
Rock-Legende: Die Karriere von Joe Cocker
Er war 19 Jahre alt, als er 1963 eine Ahnung vom Ruhm bekam: Er trat im Vorprogramm der Rolling Stones in Sheffield auf. Aber die bald danach veröffentlichte Debut-Single "I'll Cry Instead", eine Coverversion eines Beatles Songs, blieb unbemerkt.
Klar war dem jungen Cocker aber früh, dass er weder ein Songwriter, noch ein Virtuose am Instrument war, sondern allein seine Stimme und ein Instinkt für angemessene Songs ihm eine Karriere verschaffen konnten.
Seinen Durchbruch hatte er dann doch den Beatles zu verdanken, mit deren Song "With A Little Help From My Friends" Cocker 1968 in den Charts landete. Ein Jahr später baute er seinen Ruhm mit einem denkwürdigen Auftritt beim Woodstock Festival aus.
Dass Cocker es verstand, sich ein Lied tatsächlich zu eigen zu machen, es so zu übernehmen und mit Leben auszufüllen, als habe es es selber verfasst, beeindruckte auch die Beatles. Sowohl George Harrisson als auch Paul McCartney luden Cocker nach Hause ein. "Ich fühlte mich wie zu Besuch bei Königen", sagte Cocker dazu.
Sie überließen ihm ihre Songs "Something" und "She Came Through The Bathroom Window", was damals einem Ritterschlag gleichkam. Aber mit dem Ruhm kamen die Turbulenzen, die diesen Künstler einen Großteil seiner Karriere lang durchschüttelten. Da war einerseits das Geld, genauer gesagt Cockers komplettes Desinteresse daran, was den Künstler zur leichten Beute windiger Manager machte, dazu kam der Hang, Probleme gern und ausgiebig mit Alkohol wegzuspülen.
Legendär und wohl Joe Cockers künstlerischer Höhepunkt ist seine "Mad Dogs and Englishmen"-Tournee von 1970. Eine aberwitzige Konzert-Odyssee, die Cocker mit dem Exzentriker Leon Russel und einer über 30 Mann starken Begleitband absolvierte. Das Mamut Ensemble glänzte mit einem furiosen Mix aus Rock & Roll, R&B, Soul und Exzessen der besonders ausschweifenden Art.
Weil er sich mit Leon Russel aber nicht besonders grün war, verfiel Joe Cocker bald auf exzessiven Alkohol-Konsum, den er in den Folgejahren beibehielt. Jahrzente später gab er dann zu Protokoll, dass seine Erinnerungen an die Siebzigerjahre nahezu komplett weggespült seien.
Wie sich Cocker nach vielen Abstürzen wieder aufraffte
Zahlreiche Zeitzeugen berichten dafür von Konzerten, bei denen Cocker volltrunken von der Bühne kippte, oder Auftritten, bei denen er gar nicht erst erschien. Die Siebziger gelten als sein verlorenes Jahrzehnt, und er selbst hat immer wieder gestaunt, dass er dieses Zeit überhaupt überlebte.
Mit einer Mischung aus Glück und harter Working-Class-Disziplin fing er sich aber wieder. Damals muss er sich entschieden haben, dass es in Ordnung ist, Dinge zu tun, die einen nicht wirklich interessieren, die aber gut bezahlt werden. Das kann man zynisch finden - oder als Überlebenstaktik akzeptieren.
Cocker, der offene Worte stets schätzte, hat daraus nie einen Hehl gemacht. Die Schmacht-Nummer "Up Where We Belong", seinen einzigen US-Nummer-Eins-Hit, tat der Sänger gern als "öde" ab. So ist die zweite Hälfte seiner Karriere zwar die kommerziell einträglichere, aber künstlerisch bedeutungslosere.
In Deutschland, wo Cocker immer etwas mehr geliebt wurde als im Rest der Welt, war er Stammgast bei "Wetten Dass..?". Und vermutlich wird der Brite stets in sich hineingelacht haben, wenn sein Verehrer Thomas Gottschalk mal wieder von "handgemachter Musik" fabulierte.
Endgültig zu innerer Ruhe fand Cocker, als er Ende der Achtzigerjahre eine Amerikanerin heiratete und sich mit ihr auf einer abgelegenen Ranch in Colorado niederließ. Von dort aus restaurierte er seine Gesundheit und seine Finanzen.
Seine letzte bemerkenswerte Platte erschien 2007. Auf "Hymns For My Soul" sang er, begleitet von hippem Personal, anspruchsvolle Songs von Bob Dylan, Stevie Wonder und Lennon&McCartney. Dass der Erfolg des feinen Werkes dezent war, dürfte ihn wenig überrascht haben. Dafür verkaufte er seine Stimme eben mal für eine Biermarke.
Auf seiner Ranch in Colorado ist Joe Cocker am Montag an Lungenkrebs gestorben.